Die Kunst des Shiatsu, der japanischen Massage- und Akupressurtechnik, ist nicht einfach ein Beruf, sondern eine Praxis, die oft in unserem Alltag gründet. Für die meisten Ausübenden ist sie der Nährboden ihres Erlebens, das Versuchslabor ihrer Tätigkeit. Was uns Shiatsu bringt, reicht weit über unsere Praxen hinaus. Die Aneignung kultureller Konzepte wie Wabi-Sabi, Mono no Aware und Shojin kann unserem Alltag Tiefe und Ausgewogenheit verleihen, insbesondere wenn Shiatsu durch sie in unsere familiären und alltäglichen Erfahrungen einfließt. Unsere Gewohnheiten der Ernährung, Gestik, Emotionen und des Denkens entwickeln sich unter dem Einfluss unseres Lernprozesses und unserer Anwendungen zudem stark weiter.
Wabi-Sabi (侘寂): Die Schönheit der Unvollkommenheit und Schlichtheit

Wabi-Sabi zelebriert die Schönheit der Unvollkommenheit, der Vergänglichkeit und der Schlichtheit. Dieses Konzept lässt sich kaum wörtlich übersetzen, da es so subtil ist. Seine Denkweise lädt uns dazu ein, die Dinge so zu schätzen, wie sie sind, geprägt von der Zeit oder von Authentizität.
Shiatsu vermittelt diese Perspektive eines sanften Ansatzes, der Körper und Geist respektiert, ohne Heilung erzwingen zu wollen.
Die Verbindungen zwischen Wabi-Sabi und Shiatsu:
- Schlichtheit und Präsenz: Shiatsu fördert ebenso wie Wabi-Sabi die Verbindung zum Wesentlichen und zum gegenwärtigen Moment. Jede Berührung erhält so eine meditative Dimension, in der Achtsamkeit allem voran steht, um den Weg für Resonanz zu ebnen.
- Akzeptanz und stufenweise Heilung: Wie Wabi-Sabi, das Unvollkommenheiten wertschätzt, begleitet Shiatsu den Körper in seinen Ungleichgewichten und seiner Suche nach Ausgeglichenheit und fördert einen Zustand, der Raum für den natürlichen Transformationsprozess lässt.
- Energie und Natur: Wabi-Sabi bewertet die Zyklen der Natur hoch. In ähnlicher Weise unterstützt Shiatsu den Fluss der Lebensenergie (Ki), indem es die ständigen Veränderungen des Menschen anerkennt und respektiert.
Mono no aware (物の哀れ): Eine Sensibilität für Vergänglichkeit

Mono no aware – wörtlich »das Pathos der Dinge« – drückt eine sanfte Sichtweise auf die Vergänglichkeit des Lebens aus. Das Konzept lädt dazu ein, flüchtige Momente vollumfänglich zu empfinden und sie als wertvollen Teil der Erfahrung des Menschseins anzunehmen.
Die Verbindungen zwischen Mono no aware und Shiatsu:
- Wertschätzung des Augenblicks: Im Shiatsu ist jedes Druck Ausüben und wieder Loslassen eine Einladung dazu, sich im gegenwärtigen Moment zu verankern, ganz im Sinne von Mono no aware, das die Zerbrechlichkeit eines jeden Augenblicks würdigt.
- Akzeptanz von Emotionen: Mono no aware heißt die Emotionen willkommen, die mit dem Bewusstsein der Vergänglichkeit einhergehen, seien sie nun freudig oder von Traurigkeit geprägt. In gleicher Weise ermöglicht Shiatsu, die im Körper zurückgehaltenen Emotionen auszudrücken und freizusetzen, indem diese ohne Urteil angenommen werden.
- Verbindung zwischen Energie und Leben: So wie Mono no aware uns mit der Vergänglichkeit der Dinge verbindet, offenbart Shiatsu, dass die Lebensenergie ein dynamischer und kostbarer Fluss ist, der sich mit der Zeit verändert.
Shojin (精進): Hingabe in alltägliche Handlungen

Shojin, oder »aufrichtiger Einsatz«, steht in engem Zusammenhang mit den beiden vorangegangenen Konzepten und fördert die ungeteilte Aufmerksamkeit sowie eine reine Absicht bei jeder noch so banalen Handlung.
Bei alltäglichen Aufgaben lädt diese Einstellung zu Disziplin, Schlichtheit und dem Streben nach Harmonie bei der Ausführung von Handlungen ein.
Shojin und Shiatsu im Alltag:
- Bewusste Pflege: Inspiriert von Shojin kann Shiatsu zu einem Moment der Hingabe werden, in dem jede Berührung mit Aufmerksamkeit und Respekt ausgeführt wird, womit eine bewusste und beruhigende Vorgehensweise entsteht.
- Harmonie im Alltag: Durch die Integration von Shojin können auch die einfachsten Momente im Familienleben zu Ritualen der Verbundenheit werden, in denen aufrichtige Absicht jede Geste zu einem harmonischen Erlebnis macht.
Eine Lebensweise
Durch die Einbeziehung der Philosophien von Wabi-Sabi, Mono no aware und Shojin wird Shiatsu zu viel mehr als eine therapeutische Methode. Es verwandelt sich in eine Lebenskunst, welche die Schlichtheit, die Akzeptanz der Vergänglichkeit und die Aufmerksamkeit für den Augenblick wertschätzt.
Mit jedem Druck und jedem Atemzug lädt uns Shiatsu dazu ein, langsamer zu gehen, zu fühlen und eine innere Harmonie zu kultivieren, die im Einklang mit den natürlichen Rhythmen des Lebens und der Familie steht. Eine Vorgehensweise, die über die Technik hinaus die Schönheit der Authentizität und der menschlichen Verbindungen preist.